Wie bringt man Ordnung ins Chaos? Eindrücke der Kaderausbildung

Flugzeugabsturz in Gewerbezone. Drohendes Hochwasser mit Evakuierung Campingplatz. Schwere Sturmschäden und anhaltender Starkregen. Unterbringung und Betreuung von evakuierten Personen. Gebietsweise Stromausfälle und eingeschränkte Kommunikation. Im Minutentakt erreichen solche Meldungen den Einsatzleiter. Die Zivilschutzorganisation Aargau Ost wird in diesem Übungsszenario zur Hilfe gebeten: an verschiedenen Orten in den Verbandsgemeinden muss Unterstützung in die Wege geleitet werden. Was tun? Wie vorgehen?

Modelle und KI-Bilder auf einer Landkarte.
Modelle und K.I.-Bilder auf einer Landkarte simulieren die Schadensituation in dieser Übung.

Zu Beginn der Übung herrscht also ein richtiges Chaos vor. Das ist so gewollt, liegt der Fokus doch auf der Kaderausbildung. Beübt wird also nicht die Problemlösung an jeder einzelnen Schadensstelle, sondern die Organisation der Zivilschutzorganisation und die interne Zusammenarbeit. Die Offiziere koordinieren sich, fordern benötigte Ressourcen an und verteilen Aufträge. Drei halbtägige Durchführungen stehen an. So können die Offiziere in kleine Gruppen – mit Hilfe der Führungsunterstützung – ihr Wissen anwenden und um die gesammelten Erfahrungen erweitern.

Ein Zivilschützer, welcher Notizen schreibt.
In einer ersten Phase werden rasche Notizen über die Situation gemacht.

Kompaniekommandant Marc Schmidhauser leitet den ersten Durchgang als Einsatzleiter. Er definiert Gesamtabschnitte (GA) und beauftragt Offiziere mit der Gesamtabschnittsleitung. Vor Ort machen sich diese ein Bild der Lage. Auf Karten wird eingezeichnet, wo was vorgefunden wurde. Es folgt eine Rückmeldung an den Bataillonskommandoposten in Wohlen. Bei Einsatzleiter Schmidhauser laufen also die Fäden wieder zusammen. Gleichzeitig treffen weitere Meldungen ein. Eine Familie muss gerettet werden, nachdem ein Baum auf ihr Auto herabgestürzt ist. Wegen Einsturzgefahr sind Brücken nicht mehr befahrbar und Umleitungen müssen organisiert werden.

Solche Probleme müssen von den Gesamtabschnittsleitern gelöst werden. Die benötigten Ressourcen werden im Bataillonskommandoposten angefordert, ebenso das Material. Die Logistikzentrale leitet sodann die «Belieferung» der Schadenplätze mit Mannschaft und Material in die Wege. Die Koordination mit dem Bataillonskommandoposten ist dabei zentral. Es geht darum, die Aufgaben vor Ort, zusammen mit den Partnerorganisationen wie Polizei und Feuerwehr, Stück für Stück zu lösen.

Digitaler Zivilschutz

Ein weiterer Aspekt der Übungen sind die technischen Hilfsmittel, die in den letzten Monaten eingeführt wurden. Sie sind ebenfalls Teil der Ausbildung und sollen die Abläufe vereinfachen. Zum Beispiel zeigt eine digitale, ZSO-eigene Karte die einzelnen Schadenplätze. Die Eindrücke vor Ort können in der Karte eingezeichnet werden. So sieht der Bataillonskommandoposten in Wohlen live, was im Lageverbund vor sich geht. Bei den regelmässigen Rapporten mit den Gesamtabschnittsleitern ist zum Beispiel umgehend ersichtlich, welche Wege blockiert sind, und ob bzw. wie Notfalltreffpunkte (NTP) noch erreichbar sind.

Eine Karte des Einsatzgebietes der ZSO AGO.
Auch wenn mittlerweile vieles digitalisiert wurde: im Katastrophenfall muss es auch analog verfügbar sein.

Für die Ressourcenplanung steht ebenfalls technische Unterstützung bereit. In einem zentralen System ist jederzeit ersichtlich, wie viele Angehörige des Zivilschutzes (AdZS) eingerückt sind, inklusive deren Funktion. Ein Gesamtabschnittsleiter kann seine Bedürfnisse eintragen, wie viele Soldaten, Gruppenführer, usw. notwendig sind. Im Bataillonskommandoposten sieht Einsatzleiter Schmidhauser die angeforderten AdZS. Bei Bedarf werden weitere aufgeboten. Die bereits eingerückten AdZS können einem Auftrag zugewiesen werden und sind dem Gesamtabschnittsleiter vor Ort direkt mit Namen und Kontaktangaben bekannt.

Zum ersten Mal wird das neue Einsatzleitfahrzeug (ELF) auf Herz und Nieren getestet. Als mobiler Führungsstandort und Arbeitsplatz stehen im ELF alle technischen Systeme analog dem Bataillonskommandoposten in Wohlen zur Verfügung. Der Gesamtabschnittsleiter kann sich somit in unmittelbarer Nähe des Schadenereignisses platzieren, ohne Verzicht auf technische Hilfsmittel. Ausgerüstet mit Internet und Videotelefonie können Einsatzdaten direkt mit dem Bataillonskommandoposten ausgetauscht werden. Vor Ort lässt sich ein elektronisches Lagebild erstellen. Und das alles mobil – Standortwechsel sind also ohne Probleme möglich.

Ein Zivilschutzoffizier geht in das Einsatzleitungsfahrzeug ELF.
Ein Zivilschutzoffizier geht in das Einsatzleitfahrzeug um die Koordination mit dem Bataillonskommandoposten sicherzustellen.

Für Bataillonskommandant Sandro Magistretti ist die Übung ein Erfolg. Die kontinuierlichen Verbesserungen in der zweiten und dritten Durchführung der Übung zeige laut Magistretti die steile Lern- und Leistungskurve aller involvierter AdZS. Die Führungsunterstützung, zu Beginn ins kalte Wasser geworfen, legte sich die notwendigen Kompetenzen schnell zurecht. Für die Offiziere definitiv eine grosse Hilfe. Die gewonnen Erkenntnisse fliessen direkt in die mehrjährige Ausbildungsplanung ein. «Dieser Wiederholungskurs ist ein erfolgreiches Trainingsgefäss», so Magistretti. «Die Mannschaft hat einen grossen Einsatz an den Tag gelegt. Das anfängliche Chaos wurde Stück für Stück bewältigt.»

Drei Zivilschutzoffiziere während der Übung
Der Gesamtabschnittsleiter und der Übungsleiter überblicken den fiktiven Schadensplatz.
Die Übungsleiter der ZSO Aargau Ost
„Ohne die hervorragende Vorbereitung der Übungsleiter wäre die Kaderausbildung nicht möglich gewesen“, sagt Bataillonskommandant Magistretti