«Manche Bewohnerinnen schminken sich extra für die Zivilschützer»

Die Zivilschutzorganisation Aargau Ost unterstützt diverse Alterszentren in der Region bei der Bewältigung der Covid-19-Pandemie. Dabei schenken die Zivilschützer den Betagten vor allem eines: Aufmerksamkeit.

Wie gewöhnlich liegt in der Cafeteria des Alterszentrum Burkertsmatt in Widen die frischgedruckte Lokalzeitung auf. «Aargauer Spitäler am Anschlag: Intensivstationen fast voll», titelt sie an diesem Morgen. «Nicht nur die Spitäler sind am Anschlag, das gilt auch für die Alterszentren», sagt Brigitte Weibel. Als sie diesen Satz formuliert wird ihre ansonsten heitere Miene ernst. Frau Weibel fungiert in Widen als Leiterin Pflege und Betreuung. 

Sie erlebt Tag für Tag, wie herausfordernd die Covid-19-Pandemie ist. «Unser Personal leistet seit Wochen und Monaten Unglaubliches, ihm möchte ich an dieser Stelle meinen Dank aussprechen. Es gab aber auch Momente, in denen wir an unsere Grenzen kamen», sagt Weibel. Sie erzählt von isolierten Bewohnerinnen und Bewohner, die zusätzlichen Pflegeaufwand bescheren, und von Angestellten, die selbst positiv auf das Coronavirus getestet wurden und deshalb länger ausfielen. Weibel sagt: «Die grösste Herausforderung ist es in solchen Zeiten, allen gerecht zu werden.»

Wenn Frau Weibel dieser Tage in ihrem Büro mit den grossen Glasfassaden sitzt und ihr Blick jeweils vom Computerbildschirm nach draussen in den Garten wandert, dann macht sie das zufrieden, was sie da sieht: faltige Mienen, die sich endlich wieder aufhellen. Daneben junge Männer in oranger leuchtender Uniform. «Mir fiel ein Stein vom Herzen, als die Zivilschützer kamen», sagt sie. Anfang Dezember entschied sie sich, beim Kanton Unterstützung durch die Zivilschutzorganisation Aargau Ost zu beantragen. Wenige Tage nach dem Antrag standen vier Zivilschützer am Empfang des Alterszentrums.

Einsätze wie jener in Widen leistet die Zivilschutzorganisation Aargau Ost an mehreren Orten in der Region. Neben dem Alterszentrum Burkertsmatt unterstützt sie im Dezember auch jene in Fislisbach (Alterszentrum am Buechberg) sowie im Gnadenthal (Reusspark), sowie die Stifung Integra in Wohlen. Die Zivilschützer arbeiten etwa bei der Verpflegungsabgabe mit, vor allem aber schenken sie den Betagten etwas, das sie zuletzt aufgrund der ausserordentlichen Situation wohl zu wenig spürten: Aufmerksamkeit. Mal machen die Zivilschützer einen Spaziergang mit den Bewohnerinnen und Bewohner, mal spielen sie ein Kartenspiel, mal führen sie ein längeres Gespräch und manchmal hören sie einfach nur zu.

«Die Zivilschützer sollen für die Menschen da sein. Und das sind sie», sagt Brigitte Weibel. Sie berichtet von einem jungen Mann, der schon am zweiten Tag seine Gitarre ins Alterszentrum mitbrachte und seither die Menschen mit seiner Musik beglückt. Sie erzählt von älteren Damen, die plötzlich wieder aufblühen und sich am Morgen schminken, bevor die Zivilschützer eintreffen. Und sie spricht mit Bewunderung von einem äusserst fürsorglichen Zivilschützer, von dem man meinen könnte, dass er auch im Alltag mit betagten Menschen zu tun hätte, in Tat und Wahrheit aber Automechaniker ist.

Draussen geht gerade eine ältere Dame am Rollator und erzählt ihrer in orange gekleideten Begleitung, dass sie schon 40 Jahre im Dorf lebe. Es entsteht eine liebevolle Konversation. «Ich schätze es, dass ich wieder raus kann», sagt die Frau. Nach draussen darf sie aktuell nur, wenn sie von einem Zivilschützer begleitet wird. «Der Herr schaut zu mir, das schätze ich», sagt sie. Ein paar Meter weiter sitzen eine Dame und ein Zivilschützer einer Ziege gegenüber. Lediglich ein Zaun trennt sie. «Tiere sind schön, aber die reden halt nicht. Das ist bei ihm hier besser», sagt die Frau, zeigt auf den Zivilschützer und lacht. Diese seltenen Augenblicke in Gesellschaft an der frischen Luft, sie bedeuten den Bewohnerinnen und Bewohner im Winter 2020 viel. Sehr viel. (cst/bes)