Von Walze-Tänzen, Statik-Tests und herzlichen Begegnungen

Der September ist einer der betriebsamsten Monate der Zivilschutzorganisation Aargau Ost. Im Rahmen des Wiederholungskurses «Manitou» sowie des Betreuer-Wiederholungskurses wirken rund 150 Zivilschützer in der Region. Ein Rundgang.

Der, der mit der Walze tanzt: Die Zivilschützer beherrschen ihr Handwerk.

Die Sonnenblumen strecken sich nach der Sonne. Das Moos ist längst die Fassade emporgeklettert. Und die Bienen tanzen durch die Lüfte. Er ist ein kleines Idyll, dieser Garten, den knapp ein Dutzend Zivilschützer im Herzen Stettens antreffen. Die in Orange und Olivgrün gehüllten Männer sind in dieser Septemberwoche da, um einen nahegelegenen Weg auf Vordermann zu bringen. Ein Weg, der von grünem Wildwuchs flankiert wird. Der Boden: ausgewaschen. Die Trittsicherheit: nicht mehr sichergestellt.

Dass die Zivilschützer den Weg in dieser Woche hinbekommen, haben sie erwartet. Dass sie aber auch solch herzliche Bekanntschaften machen, wohl kaum. Zum Beispiel mit der Besitzerin des anmutigen Gartens um die Ecke. Die Anwohnerin nahm am ersten Arbeitstag von der Anwesenheit der Zivilschützer Notiz und richtete auf dem Vorplatz ihres Anwesens prompt eine Raststelle für die Tüchtigen ein. Samt Tischchen, Stühlen, ja gar süsser Verpflegung. Es sind Tage voller Wärme. Weil es Petrus mit den Zivilschützern gut meint, aber auch die besagte Frau. Täglich erkundigt sie sich nach dem Wohlbefinden der Handwerker. Und sie ist nicht die Einzige.

Zehn Franken für einen Znüni

«Wir haben in dieser Woche reichlich Anerkennung für unsere Arbeit erhalten. Eine Frau kam vorbei und schenkte uns zehn Franken für einen Znüni. Eine andere Person kam vorbei und überreichte uns Schokoladenbiskuits», erzählt der verantwortliche Gruppenführer mit einem ansteckenden Grinsen. Seine Worte triefen vor Dankbarkeit. Auch, weil es in diesen Tagen innerhalb der Mannschaft mehr als ansprechend läuft. «Das ist die beste Gruppenzusammensetzung, die ich je erlebt habe.»

Dem Moment, in dem der Gruppenführer diese Worte formuliert, wohnt auch Einsatzleiter Patrick Müller bei. Ihm huscht ein Lächeln übers Gesicht. So stellt er sich diese Arbeitswoche vor: voller Elan, Wärme und Stolz über das Geleistete. Jene in Stetten ist eine von acht Baustellen, die Müller an diesem Morgen besichtigt. Acht Baustellen, um die sich die Zivilschutzorganisation Aargau Ost in dieser Septemberwoche kümmert. Verteilt im gesamten Gebiet. Von Fislisbach bis Villmergen. Von Stetten bis Büttikon.

Als wäre man im schwedischen Möbelhaus

Unweit vom blühenden Garten in Stetten schlängelt sich die Reuss durch die Landschaft. Dort kreieren weitere Zivilschützer ebenfalls etwas Grosses. Am Ufer des Flusses sticht eine helle Brücke aus Lerchenholz ins Auge. Anfang Woche darbte an gleicher Stelle noch eine 10-jährige Brücke vor sich hin. Das Holz war morsch, die Statik nicht mehr vertrauenswürdig. Innert wenigen Tagen haben die Zivilschützer die alte Brücke ab- und die neue aufgebaut.

Alte Brücke weg, neue Brücke da: Die tüchtigen Zivilschützer sprechen von einem „Kraftakt“.

Konzipiert hat die Brückenpläne Zivilschützer Urs Gloor, der sich auch beruflich mit anspruchsvollen Konstruktionsplänen beschäftigt. Dank seines Knowhows und seiner Kontakte standen die Zivilschützer vor einem verständlichen Bauplan sowie bereits zugeschnittenen Holzstücken. Es fühlt sich so an, als würde diese Brücke dem Katalog einer bekannten schwedischen Möbelhaus-Kette entstammen. Anders als die Montage, fällt der Transport des Holzes alles andere als einfach. Weil die Baustelle nicht per Auto angefahren werden kann, transportieren die Zivilschützer die teils acht Meter langen Holzelemente zu Fuss die steile Feldwiese in den Wald hinunter. «Ein Kraftakt», erzählt ein Zivilschützer. Aber einer, der sich gelohnt hat: Die Brücke besteht den Statik-Test.

Problematik Wildverbiss

Etwas später an diesem Morgen streift Müllers Hand über einen Zaun, dessen Pfeiler frisch verankert wurden. Der Einsatzleiter ist mittlerweile bei jenen Zivilschützern, die sich im Fislisbacher Wald um eine sogenannte Wildschutzmassnahme kümmern. Dabei wird ein veralteter Zaun, der Rehe und Wildschweine den Zugang zu einer Tannenbaumkultur verweigern soll, durch einen neuen ersetzt. Wildverbiss nennt sich die Problematik im Jargon, die dazu führen kann, dass junge Bäume absterben. Dank der Zivilschützer haben die Tannen eine Zukunft und die Kinder in der Region an Weihnachten Freude.

Grosse Augen machen Kinder nicht nur an Weihnachten, sondern auch auf dem Waldlehrpfad in Villmergen. Einem weiteren Ort, an dem die Zivilschutzorganisation Aargau Ost in dieser Woche tätig ist. Am Eingang des Waldes begrüsst der Dachs «Grimmi» die Besucherinnen und Besucher und weist ihnen den Weg. An diesem Tag auch den Zivilschützern. Denn an vielen der 20 Orten, wo man einiges über Tiere, Bäume, Sträucher, Vögel sowie die Waldwirtschaft erfährt, müssen die Informationstafel ausgetauscht werden. Tafeln, die an dicken Holzpfählen angebracht sind. Einsatzleiter Müller macht sich auch hier ein Bild der Lage und zeigt sich bald beindruckt ob der Emsigkeit seiner Mannen. Nicht nur auf dem Waldlehrpfad, sondern auch an diversen anderen Orten im Wald bauen seine Zivilschützer neue Wege, Treppen und kleinere Brücken.

Emsige Zivilschützer im Villmerger Wald.

Als wäre er ein Chirurg

Müller erreicht eine Gabelung und blickt den abfallenden Weg hinunter. Da bewegt sich ein Zivilschützer gerade so geschickt mit einer handgeführten Walze, sodass es aussieht als ob er mit ihr tanzen würde. Diese Walze ist eines von zig schweren Geräten, die die Partnergemeinden den Zivilschützern für die Arbeiten zur Verfügung gestellt haben. Müller stellt stolz fest, dass seine Männer solcher Maschinen mächtig sind. Unweit vom Walze-Tänzer bewegt ein weiterer Zivilschützer die Schaufel seines Baggers so elegant als wäre er ein Chirurg. Dank ihres Engagements und des guten Wetters kommt die Zivilschutzorganisation Aargau Ost in dieser Woche mit ihren Arbeiten prächtig voran. Zuweilen liegen gar Zusatzaufträge drin. Am Ende blickt sie auf erfolgreiche Bauarbeiten in den Gemeinden Büttikon, Fislisbach, Hilfikon, Stetten, Villmergen und Waltenschwil zurück.

Ehrgeizige Jasser

Während gewisse Zivilschützer in dieser Septemberwoche Hand anlegen, gehen andere zur Hand. Und zwar dem Pflegepersonal in diversen Alterszentren in der Region. Sascha Müller, Kommandant-Stellvertreter des Betreuungs-Wiederholungskurses, parkiert am letzten Einsatztag vor dem Alterszentrum Burkertsmatt, um Reaktionen der Institutionsleitung einzuholen. Brigitte Weibel, Leiterin Pflege und Betreuung, begrüsst ihn mit herzlicher Miene und sagt ungefragt: «Ihr stellt ja immer gute Leute, aber dieses Mal waren sie wirklich mega.» Wort, die in Müllers Ohren nur eines sind: Musik.

Unter der Woche stand der traditionelle Ausflug mit den Zivilschützern an. Destination: Ahorn Alp. «Von der Carfahrt bis zum Mittagessen – es war ein wirklich stimmiger Ausflug», so Weibel. Weiter hinten im Stübli sitzen zwei Zivilschützer und rüsten mit vier Altersheimbewohnerinnen Gemüse für den Zmittag. Während er gerade Karotten schneidet, erzählt ein Zivilschützer von den vielen Jassduellen in dieser Woche. «Gewisse Altersheimbewohner sind äusserst ehrgeizige Jasser, da muss man mit dem Kopf dabeibleiben, sonst kriegt man was zu hören.» Egal, mit wem man spricht. In jeder Anekdote schwingt Dankbarkeit mit. Kursleiter Müller hört an diesem Tag noch viele solche Anekdoten. Auch in den anderen Institutionen.

Gemüse aller Art wird gerüstet: ein Zivilschützer in guter Gesellschaft.