Der Silberrücken im Stäglerhau

Die Technische Hilfe übt das Abtrennen von Gegenständen im Militärgelände Steglerau in Mägenwil
In Stäglerhau übt die Technische Hilfe das Abbauen und Trennen.

Die Sonnencreme stand bereits in den frühen Morgenstunden griffbereit, denn allen Angehörigen des Zivilschutzes war klar: heute wird es heiss! Bereits vor acht Uhr morgens kletterte das Thermometer auf über zwanzig Grad, das Gewitter der letzten Nacht brachte nicht wirklich Kühle mit sich. Nichtsdestotrotz versammelten sich knapp 80 Angehörige des Zivilschutzes, um in dieser Woche im Rahmen des WK Ausbildung Stäglerhau ihr Können zu perfektionieren. Erstmals wurden in diesem WK auch die neuen Führungsstrukturen auf Herz und Nieren getestet. So sind die verantwortlichen Kader neu mit entsprechenden Leuchtwesten gekennzeichnet, dass man auch rasch weiss, wer die Zuständigkeit inne hat: So gleicht der verantwortliche Abschnittsleiter mit seiner weissen Weste fast einem Silberrücken, blickt er doch streng und kontrollierend über die Übungen, welche unter der glutheissen Sonne absolviert werden.

Der Blick zu den Betreuern

«Wir sind die Betreuer. Wir kümmern uns immer um die Substanz Mensch», beginnt der Offizier seine Ansprache an die Mannschaft. Die frühmorgendliche Lektion beginnt noch locker: So werden die gängigen Notrufnummern repetiert, es wird besprochen, worauf man achten muss, wenn man an einen Unfall herantritt – die praktische 1. Hilfe, die man später auch beim Arbeitgeber anwenden kann. Und hier zeigt sich auch einer der Vorteile des Milizsystems innerhalb des Zivilschutzes: Ein Soldat, der im Gesundheitswesen tätig ist, kann gleich noch nützliche Tipps aus der Praxis geben, während ein Offizier, der auch noch in der freiwilligen Feuerwehr aktiv ist, anekdotisch erzählen kann, zu welchen Missverständnissen es kommen kann, wenn man die W-Fragen bei einem Notruf nicht präzise genug beantwortet.

Nach diesen einfachen Fragen sind die Betreuer warmgelaufen und schon geht es los: Es wird geübt, beeinträchtigte Personen in den Rollstuhl zu hieven und einen Parcours zu absolvieren, sie über Schwellen zu tragen und auch wie man mit ihnen respektvoll umgeht. Das gleiche Szenario wir auch mit sehbeeinträchtigten Personen geübt. So müssen die Angehörigen des Zivilschutzes signalisieren, dass es treppauf und treppab geht oder dass man in einem schmalen Gang abbiegen muss.

Zivilschützer üben das Transportieren von beeinträchtigen Personen im Rollstuhl.
Zivilschützer üben das Transportieren von beeinträchtigen Personen im Rollstuhl und kontrollieren sich dabei selbst.

All das wird später in der Woche helfen: Denn dann werden die Betreuer in sieben regionalen Institutionen, also in Alters- und Pflege- sowie Behindertenheimen, gleich das Gelernte in der Praxis anwenden.

Bis dahin ist es aber noch ein weiter Weg: Der Inhalt des Sanitätskoffers wird genaustens repetiert, der Transport bei Verdacht auf Rückenverletzungen wird wiederholt. Auf dem Militärgelände Stäglerhau in Mägenwil wird schliesslich geübt, die Notfalltreffpunkte (NTP) und eine fachliche Betreuungsstelle in Betrieb zu nehmen.

Das zeigt: Die Betreuer der Zivilschutzorganisation Aargau Ost sind für alle Fälle gewappnet und wissen, wie sie auch in Katastrophensituationen richtig handeln können.

Der Schweiss tropft – das Wasser fliesst

Noch bevor die Sonne die ersten Strahlen über die Hügelkuppen schicken konnte, arbeiteten bereits die Soldaten der Technischen Hilfe auf dem Stäglerhau. Auch hier begann der Wiederholungskurs mit Wiederholungsübungen: Etwa dem richtigen Umgang mit einer Kettensäge. Denn diese wird später auch gleich gebraucht. Insgesamt sechs Aufgaben haben die AdZS hier gefasst.

Ein Zivilschützer schneidet mit einer Kettensäge einen Baumstamm in Stücke.
Der Umgang mit der Kettensäge will gelernt sein!

Abbauen und Trennen, etwa von Fallholz, ist nur eine davon. So wird auch mit mehreren alten Autowracks geübt, Lasten zu heben und zu verschieben oder der Umgang mit Generatoren und dem Stellen von Beleuchtung für den Ernstfall. Die Paradedisziplin ist aber definitiv der Wassertransport. Von einem grossen Becken soll Wasser den Hang hinauftransportiert werden. Doch die Strecke dazu ist zu lang, um von nur einer der leistungsstarken Wasserpumpen bewältigt zu werden. Also werden kurzerhand Holzpalette mit Spannsets zusammengebunden und mit einer grossen Plastikplane ausgelegt – fertig ist das improvisierte Zwischenbecken. Nun wird das Wasser etappenweise auf den Hügel transportiert. Es verlangt etwas Übung, doch genau dafür sind die AdZS in diesen WK eingerückt. Und schliesslich ist es ein realitätsnahes Szenario: In der Region Aargau Ost kam es in der Vergangenheit schon mehrfach zu Überschwemmungen und das Wasser muss teilweise zwischengelagert werden, um dem bereits übervollen Fluss nicht noch weiter zu belasten.

Ein Wasserbecken, welches von Zivilschützern leergepumpt werden soll.
Das Wasser in diesem Becken soll den Hang hochgepumpt werden. Dazu müssen kleinere Zwischenbecken gebaut werden.

Auch abseits der strengen Handwerksarbeit gibt es noch wichtige Übungen für die Technische Hilfe: Auch bei ihnen stehen die Inbetriebnahme der NTPs und eine Funkrepetition auf dem Tagesprogramm – und: eine Wiederholung der lebensrettenden BLS-AED-Massnahmen findet sowohl bei ihnen als auch bei der Führungsunterstützung statt.

Ein Zivilschützer erklärt das BLS-AED-Schema
Auch das 1. Hilfe-Wissen der Technische Hilfe und Führungsunterstützung wird aufgefrischt.

Im Kommandoposten der Zukunft

Damit wären wir bei der dritten Truppengattung, welche aufgeboten wurde. Auch die Führungsunterstützung wurde im Einsatz der Notfalltreffpunkte geschult und durfte die BLS-AED-Massnahmen repetieren. Zudem wurden alle Bereitstellungsanlagen (BSA) der Region aufgesucht, damit man im Katastrophenfall schnell und effizient überall einsatzbereit ist. Auch wurde im Wald, in wenigen Metern Höhe, der Leitungsbau trainiert, denn so kann der Zivilschutz auch ohne Funknetz untereinander kommunizieren. Das wohl wichtigste war aber die Inbetriebnahme der  beiden Kommandoposten, kurz KP. Einerseits auf dem Feld, andererseits das neu entworfene Bat-KP von Bataillonskommandant Sandro Magistretti: Hier soll die Zivilschutzorganisation Aargau Ost einen zukunftsorientierten Katastrophenschutz üben. Das Dispositiv wird neu direkt auf dem Computer eingetragen, eine zivilschutzeigene Drohne mit ausgebildeten und lizenzierten Drohnenpiloten sendet hochauflösende Bilder vom Einsatzgebiet live in den Hauptstandort in Wohlen. So kann sich das Kommando schnell einen Überblick verschaffen.

Zwei Bildschrime: Eine Schadenskarte und der Livestream der Zivilschutz-Drohne
Die Drohne der ZSO AGO streamt das Luftbild live in den Bataillons-Kommandoposten.

Doch mit einer Abhängigkeit von Strom und Internet macht man sich auch angreifbar – doch Bataillonskommandant Magistretti versichert: «Alles was hier digital angezeigt wird, wird zur Sicherheit auch analog festgehalten. Zudem verfügen wir über mobile Notstromgeneratoren und eigene, mobile Hotspots, die auch auf dem Gelände einsatzbereit sind.» Das Betriebsgebäude an der Wilstrasse 57 in Wohlen verfügt über einen grossen Notstromgenerator, welche sämtliche Partnerorganisationen wie Polizei, Feuerwehr, Technische Betriebe und den Zivilschutz bei einem Stromausfall versorgen kann.

Nach dem Ausbildungs-WK im Stäglerhau möchte Magistretti zudem ein erstes Fazit ziehen und schauen, was gut funktioniert hat und wo es noch Optimierungsbedarf gibt: So soll die ZSO AGO mit der Zeit gehen und auch in der Zukunft voll einsatzbereit sein.

Zivilschützer bauen ein Zwischenbecken für den Wassertransport.
Die Zwischenbecken werden aus Holzpaletten gebaut und mit einer Plane ausgelegt.
Zivilschützer heben ein Autowrack einen Hang hoch.
Mit einem Autowrack wird eine realitätsnahe Bergung geübt.
Drei Zivilschützer im Logistikzenter der ZSO AGO
Bataillonskommandant Sandro Magistretti und die Logistikverantwortlichen verschaffen sich im Logistikzenter einen Überblick