Der Schub des Manitou

Nicht nur in der Zivilgesellschaft, sondern auch im Zivilschutz hält langsam, aber sicher wieder die Normalität Einzug. Von Brückensanierungen bis Bienenhotels – die Zivilschutzorganisation Aargau Ost realisiert dieser Tage so einiges.


Sie sind rar, die Momente, in denen Marc Schmidhauser eine Frage erstmal unbeantwortet lässt. Der Kommandant und Major der Zivilschutzorganisation Aargau Ost tippt mit dem Zeigfinger an seine Stirn und sagt: «Wann war das schon wieder?» Die Frage, wann der Zivilschutz seinen letzten grossen Wiederholungskurs (WK) durchführen konnte, beschäftigt. «Muss im Herbst 2019 gewesen sein», so Schmidhauser nach kurzer Reflexion. Seither beschäftigte die Zivilschutzorganisation schliesslich nur eines: das Coronavirus. Nach diversen Aufträgen zur Pandemiebewältigung hält auch bei ihr langsam, aber sicher wieder der Alltag Einzug. «Das ist unser erster grosser Wiederholungskurs», sagt Schmidhauser stolz. Und schiebt nach: «Es ist auch der erste Wiederholungskurs seit der Fusion, in dem nun alle Regionen eingebunden sind.»
«Manitou» heisst diese Grossprojekt-Premiere. Der Begriff ist auf die in Nordamerika beheimatete Sprachfamilie der indigenen amerikanischen Sprachen zurückzuführen und bedeutet so viel wie «die grosse Kraft». Ein Begriff, der passt. Zumal in den insgesamt vier WK-Wochen viel Kraft aufgewendet wird, um in der Region etwas zu bewegen. Insgesamt 120 Zivilschützer beteiligen sich an den diversen Innstandstellungsaufträgen. Die Aufgaben stammen von den 26 Verbandsgemeinden, welche im Vorfeld ihre Bedürfnisse kundtun konnten. Ob Komplettersatz von Brücken, den Bau von Feuerstellen oder Unterhaltsarbeiten an Wanderwegen – der Dienstleistungskatalog für die Gemeinden ist bemerkenswert. «Unser Bezug zu dieser WK-Bezeichnung leitet sich allerdings von der universell einsetzbaren Baumaschine ab. Aber die indigene Bezeichnung gefällt mir umso mehr, da auch wir manchmal mit dem «weissen Mann in der grossen Stadt» kämpfen müssen», schmunzelt der Kommandant.
Obwohl auch im Zivilschutz wieder der Alltag einkehrt, lässt er die Corona-Schutzmassnahmen nicht ausser Acht. «Wir haben die Zivilschützer in viele kleine Gruppen eingeteilt», erklärt Schmidhauser. Unterschiedliche Einrückzeiten und Einrückorte sowie kompromisslose Schutzkonzepte stellen Gesundheit und Betrieb sicher.
«Kreation für die gesamte Bevölkerung»
Koordiniert wird die «Manitou»-Übung aus dem Kommandoposten «Bünzmatt» in Wohlen. Stefan Schärers Blick schweift durch den Raum. Der stellvertretende Kompaniekommandant mustert die Plakate mit der Aufschrift «Fahraufträge» und sagt dann zufrieden: «Hier dokumentieren wir sämtliche Aufträge, führen Protokoll und wissen stets, wer was wo macht.» Insgesamt elf Fahrer stehen ihm zur Verfügung. Sie fahren die Zivilschützer zu den Baustellen und transportieren haufenweise Material. An diesem Donnerstag ist es ruhig. «Läuft alles nach Plan», sagt er und lächelt.
Ein paar Kilometer weiter steht Patrick Meyer auf einem grossen Kiesplatz in der prallen Sonne und sagt: «Hier kreieren wir etwas für die gesamte Bevölkerung.» Neben dem Alterszentrum in Villmergen entsteht ein Naherholungsgebiet, bei dessen Bau der Zivilschutz mitwirkt. Als Sinnespark wird die Parklandschaft bezeichnet. Eine
Parklandschaft, die sowohl Erholung als auch Entspannung und Anregung ermöglichen will. «Wir sind hier etwa am Bau von Feuerstellen oder eines Stegs beteiligt», sagt Meyer, der den Auftrag im Sinnespark verantwortet. Bei der Baustellenbesichtigung sticht ein Zivilschützer ins Auge, der mit einer Motorsäge an einem dicken Holzstamm werkelt. «Das soll ein Insektenhotel werden», sagt er stolz.
«Wie ein Ikea-Schrank»
Stolz sind auch jene Zivilschützer, die dieser Tage am Reussufer in Stetten arbeiten. «Wir haben hier eine alte Holzbrücke zurück- und eine neue Brücke aufgebaut», erklärt Pionieroffizier Yves Thurnbichler. Die Brücke bildet das Verbindungsstück eines viel begangenen Wanderweges. Damit die Wandernden nicht stranden, richteten die Zivilschützer vor Beginn der Arbeiten eine Notbrücke mit Drahtseilen und Europaletten ein. «Rund 120 verschiedene Holzstücke haben wir hier montiert», erzählt Thurnbichler. Die einzelnen Bestandteile der Brücke wurden von einem Zivilschutzangehörigen der beruflich als Zimmermann arbeitet vorproduziert und beschriftet. Die Zivilschützer hatten sich danach nur noch an die Bauanleitung zu halten. «War fast so wie beim Aufbau eines Ikea-Schranks» sagt ein Zivilschützer und grinst. Es ist der Tag, an dem die Brücke eröffnet wird. Es dauert keine halbe Stunde, ehe zwei Rentner die Brücke passieren. Ein kleiner Hüpfer. Testgriffe am Geländer. Alles hält. «Habt ihr tipptopp gemacht», lobt der Wanderer.
Wenige Kilometer flussaufwärts stehen Zivilschützer in Sulz ebenfalls vor einer neuen Brücke. «Diese Brücke werde ich wohl auch privat nutzen, deshalb ist es cool, hier mitgewirkt zu haben», sagt ein Zivilschützer.

Von Brückensanierungen bis Bienenhotels – die Zivilschutzorganisation Aargau Ost realisiert dieser Tage so einiges. Der Schub der Mission «Manitou» ist spürbar.